Bilanzierungspflicht - auch für Selbstständige und Einzelunternehmen?

Xolo
Geschrieben von Xolo
on April 01, 2022

Du möchtest dich selbstständig machen und ein Einzelunternehmen gründen. Also musst du dich zeitnah mit der Bilanzierungspflicht auseinandersetzen, schließlich sind ja alle Unternehmen bilanzierungspflichtig. Oder doch nicht?

Es gibt Grund zum Aufatmen: Nicht alle Unternehmer:innen sind automatisch ab der Gründung zur Bilanzierung und damit zur doppelten Buchführung verpflichtet. Ob du zur Aufstellung einer Bilanz verpflichtet bist, hängt von deiner Tätigkeit, der Rechtsform deines Unternehmens und von Umsatz- und Gewinnhöhe ab.

Entfällt die Bilanzierungspflicht für dich, genügt eine einfache Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR).

Wer ist verpflichtet, eine Bilanz zu erstellen?

Hier machen wir es für dich kurz und übersichtlich.

Bilanzierungspflichtig sind:

  • Gewerbliche Einzelunternehmen und GbRs, deren Umsätze und Gewinne die Grenzwerte überschreiten, die in der Abgabenordnung (AO) festgelegt sind. Mehr dazu erfährst du weiter unten.
  • Land- und Forstwirtschaftsbetriebe. Es sei denn, sie überschreiten die in der Abgabenordnung (AO) festgelegten Grenzbeträge nicht. 
  • Personengesellschaften, die ins Handelsregister eingetragen sind und damit als Handelsgesellschaft gelten. Dazu zählen OHG, KG, GmbH & Co. OHG und GmbH & Co, KG.
  • Kapitalgesellschaften wie die GmbH, die UG und die AG.
  • Unternehmen, die sich freiwillig zur doppelten Buchführung verpflichtet haben. (Ja, auch das kommt vor und kann unter Umständen sogar sinnvoll sein.)

Wenn du mehr über die verschiedenen Rechtsformen für Unternehmen erfahren möchtest und dich fragst, welche Gesellschaftsform am besten zu deinem Business passt, lies gerne hier weiter: Rechtsformen für Unternehmen.

Welche Unternehmen sind nicht bilanzierungspflichtig?

Wie bereits gesagt, sind nicht alle Unternehmen zur ordnungsgemäßen doppelten Buchführung verpflichtet. Hier hat der Gesetzgeber ein Herz für Selbstständige und Einzelunternehmer:innen bewiesen und ein paar Ausnahmeregelungen geschaffen, um kleine Unternehmen zu entlasten.

Freiberufler sind von der Bilanzierungspflicht befreit

Freiberufler:innen sind frei – auch in Sachen Bilanzierung. Das heißt, du kannst selbst entscheiden, ob du eine doppelte Buchführung durchführen möchtest oder nicht. Bist du also Ärztin, Journalist, Rechtsanwältin, Architekt oder übst einen anderen freien Beruf als selbstständige Tätigkeit aus, darfst du auch die einfachere EÜR nutzen – und zwar ganz unabhängig davon, wie hoch deine Umsätze und Gewinne ausfallen. 

Welche Tätigkeiten zu den freien Berufen gehören, kannst du im Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (§ 1 Abs. 2 PartGG) und im Einkommenssteuergesetz (§ 18 Abs. 1 EStG) nachlesen.

Als Angehörige:r der freien Berufe bist du auch dann nicht bilanzierungspflichtig, wenn du dich mit anderen Freiberufler:innen zu einer Partnergesellschaft (PartG), oder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammenschließt. Denn als Freiberufler:in bist du kein „Kaufmann“ im Sinne des Gesetzes – und eine Gesellschaft aus Freiberufler:innen eben auch nicht.

Bilanzierungspflicht für Selbstständige und Einzelunternehmen

Sobald du dich als Einzelperson selbstständig machst und für dein Unternehmen keine bestimmte Gesellschaftsform wählst, bist du automatisch Einzelunternehmer:in. Als Freiberufler:in musst du dir, wie oben erklärt, keine weiteren Gedanken um doppelte Buchführung oder Bilanzierung machen. Zählt deine Tätigkeit hingegen nicht zu den freien Berufen, bedeutet das, du betreibst ein Gewerbe.

Tipp: Wenn du dir nicht ganz sicher bist, ob du mit deiner selbstständigen Tätigkeit nun Freiberufler:in bist oder nicht, frag am besten bei deinem Finanzamt nach, bevor du dich selbstständig macht. So sparst du dir Zeit und Sorgen.

Gewerbetreibende Einzelunternehmen sind bilanzierungspflichtig, sobald Umsätze oder Gewinne in einem Wirtschaftsjahr die Grenzbeträge überschreiten, die in der Abgabenordnung (§ 141 AO) und im Handelsgesetzbuch (§ 241a HGB) stehen:

Umsatz: mehr als 600.000 EUR oder

Gewinn: mehr als 60.000 EUR

Achtung: Sobald du EINEN der beiden Grenzwerte in einem Wirtschaftsjahr überschreitest, bist du bilanzierungspflichtig. Wenn du mit deinem Marketing-Beratungsservice also in einem Jahr 603.459 Euro Umsatz machst, bist du zur doppelten Buchführung verpflichtet, auch wenn du gar keinen Gewinn erzielst, weil du viele Ausgaben hast.

Liegen sowohl Umsatz als auch Gewinn bei dir unter dem jeweiligen Grenzwert, greift das sogenannte Bürokratie-Entlastungsgesetz, das am 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist. Dann kannst du dem Finanzamt einfach eine EÜR schicken.

Wie sieht es bei Kleinunternehmer:innen aus?

Nur falls du dich das gefragt hast: Als Kleinunterunternehmer:in bist du selbstverständlich nicht verpflichtet, einen Jahresabschluss mit Bilanz zu erstellen. Schließlich kannst du die Kleinunternehmerregelung nur in Anspruch nehmen, solange du pro Jahr weniger als 22.000 Euro Umsatz erwirtschaftest. Somit genügt die EÜR.

Auch hier gilt: Überschreitest du einen der oben genannten Grenzbeträge, ist doppelte Buchführung angesagt. Aber dann bist du auch kein:e Kleinunternehmer:in mehr.

Bilanzierungspflicht für eingetragene Kaufleute

Sobald dein Einzelunternehmen einen Eintrag ins Handelsregister erhält, ist es ein sogenannter „eingetragener Kaufmann“ (e. K.). Dieser Eintrag ist für dich verpflichtend, wenn du ein Handelsgewerbe betreibst, denn dann bist du ein Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzes (HGB).

Und welche Gewerbebetriebe sind nun Handelsgewerbe?

Das Gesetz sagt hier: „Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, daß[sic!] das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.“ 

Was diese unglaublich präzise Angabe ausdrücken möchte: Wenn dein Unternehmen so groß und komplex ist, dass es ohne ordentliche kaufmännische Organisation (und dazu zählt auch die Bilanzierung) gar nicht vernünftig geführt werden kann, ist es höchstwahrscheinlich ein Handelsgewerbe.

Genaue Richtwerte gibt es dafür leider nicht. Selbstständige IT-Dienstleisterinnen, Webdesigner, Beziehungsberaterinnen und Mindset-Coaches müssen sich aber schon sehr anstrengen, um in diese Schublade sortiert zu werden, – solange  sie keine GmbH, KG oder eine andere solche Gesellschaft gründen.

Denn Personengesellschaften wie die OHG und die KG sowie Kapitalgesellschaften wie die UG, die GmbH und die AG gelten in jedem Fall als Handelsgewerbe. Der Eintrag ins Handelsregister ist für sie also Pflicht.

Freiwilliger Eintrag ins Handelsregister

Du kannst dein gewerbliches Einzelunternehmen aber auch freiwillig ins Handelsregister eintragen lassen und so die Kaufmannseigenschaft erhalten, z. B. um gegenüber Banken, Investoren und Vertragspartnern professioneller aufzutreten.

Der Eintrag allein macht dich aber noch nicht buchführungspflichtig. Solange du weniger als 600.000 Euro Umsatz und weniger als 60.000 Euro Gewinn erwirtschaftest, bleibst du auch als eingetragene Kauffrau (e.Kfr.) bzw. eingetragener Kaufmann (e.K.) von der Bilanzierungspflicht verschont.

Personengesellschaften sind bilanzierungspflichtig

Personengesellschaften wie die OHG und die KG, die GmbH & Co. OHG und die GmbH & Co. KG gelten als Handelsgewerbe und sind deshalb zur ordnungsgemäßen doppelten Buchführung verpflichtet. Einzig die GbR tanzt hier aus der Reihe.

Bilanzierungspflicht bei der GbR

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist eine Gruppe aus zwei oder mehreren Personen, die sich zusammengeschlossen haben, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Dafür brauchen sie keinen Gesellschaftsvertrag. Es genügt, dass sie sich einfach zusammenschließen.

Beispiel: Als selbstständiger Webdesigner kannst du dich z. B. mit einer Texterin, einem Grafikdesigner und einer SEO-Expertin zu einer GbR zusammenschließen, um ein gemeinsames Projekt zu realisieren.

Damit eine GbR zustande kommen kann, dürfen die einzelnen Gesellschafter:innen keine Kaufleute im Sinne des Handelsrechts sein und auch keinen Eintrag im Handelsregister haben. Denn dann müssten sie eine andere Gesellschaftsform für sich wählen, z. B. OHG. 

Da sie kein handelsrechtlicher Kaufmann ist, gilt für deine GbR dieselbe Regel wie für Einzelkaufleute: Sobald ihr mit eurem gemeinsamen Projekt mehr als 600.000 Euro Gewinn bzw. 60.000 erwirtschaftet, ist eure GbR bilanzierungspflichtig. Vorher nicht.

Ausnahme: Sind alle Gesellschafter:innen der GbR Freiberufler:innen, ist auch die GbR von der Bilanzierungspflicht befreit.

Kapitalgesellschaften sind bilanzierungspflichtig

Auch für Kapitalgesellschaften wie die UG, die AG und die GmbH besteht Bilanzierungspflicht. Wie groß das Unternehmen ist und wie viel Umsatz und Gewinn es macht, ist ganz egal. Die Gesellschaftsform allein reicht dafür schon aus.

Beispiel: Du möchtest deinen Quadrokopter-Verleih als 1-Personen-GmbH gründen? Dann freunde dich schon mal mit der doppelten Buchführung an.

Ab wann die Bilanzierungspflicht gilt

Personengesellschaften – mit Ausnahme der GbR – und Kapitalgesellschaften sind ab dem Zeitpunkt ihrer Gründung zur doppelten Buchführung verpflichtet und müssen sofort eine entsprechende Eröffnungsbilanz erstellen. Am Ende des Geschäftsjahres folgt dann die Schlussbilanz.

Wenn du Einzelunternehmer:in bist und ein Gewerbe betreibst, wirst du erst dann bilanzierungspflichtig, wenn du in einem Wirtschaftsjahr die genannten Grenzwerte überschreitest.
Du erinnerst dich: 600.000 Euro Umsatz oder 60.000 Euro Gewinn.

Doch auch dann musst du nicht sofort von der EÜR zur doppelten Buchführung wechseln, sondern erst in dem Jahr, das auf die entsprechende Mitteilung vom Finanzamt folgt.

Beispiel: 2021 war für dich ein richtig gutes Jahr. Du hast 65.789,- Euro Gewinn gemacht. Im Jahr 2022 teilt dir das Finanzamt mit, dass für dich jetzt Bilanzierungspflicht besteht. Erst im folgenden Jahr, also 2023, musst du dann eine Eröffnungsbilanz erstellen und doppelte Buchführung betreiben.

Von der doppelten Buchführung zurück zur EÜR

Die Bilanzierungspflicht gilt nicht für alle Ewigkeit. Du kannst mit deinem Einzelunternehmen auch wieder zurück zur EÜR wechseln, wenn deine Umsätze und Gewinne die Grenzwerte von 600.000 Euro bzw. 60.000 Euro in zwei aufeinanderfolgenden Jahren unterschreiten.

Beispiel: Im Jahr 2021 bist du noch bilanzierungspflichtig. Dein Umsatz und / oder dein Gewinn liegt über dem jeweiligen Grenzwert. In den Jahren 2022 und 2023 erwirtschaftest du jedoch weniger als 600.000 Umsatz und weniger als 60.000 Euro Gewinn. Also kannst du im Jahr 2024 wieder die EÜR nutzen.

Freiwillige Bilanzierung

Grundsätzlich dürfen alle Unternehmen auch auf freiwilliger Basis doppelte Buchführung betreiben und Bilanzen aufstellen. Also ja, du darfst bilanzieren, selbst wenn du nicht dazu verpflichtet bist. Du fragst dich, warum sich irgendjemand freiwillig so etwas antun sollte?

Tatsächlich kann eine freiwillige Bilanzierung in einigen Fällen sinnvoll sein, denn die Bilanz hat auch ein paar positive Seiten.

Vorteile der Bilanzierung

  • Möchtest du expandieren, hast du bei Banken in der Regel bessere Chancen, einen Kredit zu bekommen, wenn du eine Bilanz vorlegen kannst.
  • Die Bilanz zeigt ein genaueres Bild der Gesamtsituation deines Unternehmens, da sie auch Außenstände berücksichtigt, also Einnahmen und Ausgaben, die erst noch anstehen. In die EÜR fließen nur die tatsächlich getätigten Einnahmen und Ausgaben ein.
  • Als bilanzierendes Unternehmen kannst du Rückstellungen bilden. Das sind Ausgaben, mit denen du zwar rechnest, bei denen du aber noch nicht weißt, wann und in welcher Höhe sie anfallen werden. Das Finanzamt erlaubt dir, diese Ausgaben zurückzustellen, sodass du sie nicht versteuern musst, damit du zahlungsfähig bist, wenn es soweit ist.

Hinweis: Wenn du dich freiwillig für die Bilanzierung entschieden hast, musst du in der Regel mindestens drei Jahre dabei bleiben, bevor du wieder zur EÜR zurückkehren kannst. Ein lustiges Hin-und-Herwechseln gestattet das Finanzamt nicht.

Was die Bilanzierungspflicht für dich bedeutet

Bist du als Unternehmer:in bilanzierungspflichtig, muss deine Buchhaltung den „Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung“ (GoB) entsprechen, die im Handelsgesetzbuch (§ 238 Abs. 1 HGB) festgehalten sind. 

Du musst also zu Beginn deiner Geschäftstätigkeit und am Ende des Geschäftsjahres eine Aufstellung deines Vermögens und deines Kapitals vornehmen – also eine Eröffnungsbilanz und eine Schlussbilanz erstellen. 

Die Schlussbilanz ist gleichzeitig die Eröffnungsbilanz für das folgende Geschäftsjahr. Du musst also nur im Jahr deiner Gründung zweimal eine Bilanz aufstellen. 

Die Schlussbilanz ist ein wichtiger Teil deines Jahresabschlusses, zu dem auch die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) gehört. In einigen Fällen, gerade bei größeren Unternehmen, kommen noch ein Anhang mit Erläuterungen und ein Lagebericht dazu.

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Warum heißt es „doppelte Buchführung“?

Bilanzierungspflicht bedeutet für dich auch: doppelte Buchführung. Und die ist um einiges aufwendiger als die Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Bei der EÜR erfasst du einfach deine Einnahmen und Ausgaben und errechnest daraus den Gewinn. Bei der doppelten Buchführung musst du hingegen für jeden Posten deines Unternehmens ein eigenes Konto führen. 

Kaufst du nun Büromaterialien für dein Geschäft, wird der Betrag auf dem entsprechenden Konto als Zugang verbucht. Von dem Konto, das den Kauf finanziert, wird dafür etwas abgebucht. Jeder Geschäftsvorfall wird also zweimal gebucht. Darum heißt es „doppelte Buchführung“.

Kurz betrachtet: Aufbau von Bilanz und GuV

Deine Bilanz besteht aus Aktivkonten und Passivkonten. Die Aktivkonten, auch „Aktiva“ genannt, geben Auskunft, wie das Vermögen deines Unternehmens verteilt ist. Die Passivkonten zeigen, wie sich das Kapital deines Unternehmens zusammensetzt, mit dem das Vermögen finanziert wird.

Die GuV besteht aus Aufwandskonten und Ertragskonten. Die Aufwandskonten umfassen deine Ausgaben, die dein Eigenkapital mindern. In den Ertragskonten erfasst du die Wertzugänge, die dein Eigenkapital erhöhen – und damit auch deinen Gewinn.

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Du siehst also: Bilanzieren ist ziemlich spannend. ;)

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